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In der ostfriesischen Sankt-Nikolai-Kirche wird im Gottesdienst getanzt - mit Techno und Poledance. Für die evangelische Pastorin Lisa Koens ist das ein Befreiungsschlag, der gut in die Adventszeit passt - aus religiöser und feministischer Sicht.

Stiekelkamperfehn/Kr. Leer. Die ostfriesische Pastorin Lisa Koens will auch künftig Tanzgottesdienste in der Sankt-Nikolai-Kirche Stiekelkamperfehn bei Leer anbieten. Aus ihrer Gemeinde habe sie viel positives Feedback bekommen/sagte die evangelische Pastorin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Koens hatte am zweiten Advent zu einem ungewöhnlichen Gottesdienst mit Poledance und Techno-Beats eingeladen.

Auf die Idee sei sie gekommen, weil Poledance ein Hobby von ihr sei, sagte Koens. Sie sei sich bewusst, dass es Vorurteile gebe und einige Menschen den aus den USA stammenden Stangentanz mit Erotik, Striptease und dem Rotlicht-Milieu in Verbindung brächten. Poledance habe da zwar seine Wurzeln. «Heute aber ist dieser Tanz ein ernst zu nehmender Sport, der viel Kraft, Fitness und Ausdauer benötigt.»

Der Kritik in den sozialen Medien misst Lisa Koens nicht viel Bedeutung bei. «Es gab natürlich negative Kommentare, es war aber weniger schlimm, als ich erwartet habe», sagt sie. Mit der Missbilligung könne sie leben. «Ich verstehe, wenn jemand sagt, dass das nichts für ihn ist - aber wir feiern solch einen Gottesdienst ja auch nicht jeden Tag.»

Für Koens hat Poledance feministische Anknüpfungspunkte. Früher hätten die Frauen für Männer an der Stange getanzt, heute hätten sie sich den Tanz zurückerobert, sagt sie. «Gerade Frauen zweifeln oft an sich, Poledance ist eine gute Möglichkeit, Körperbewusstsein zu entwickeln und selbstbewusst zu werden.»

Dass die Frauen mit viel nackter Haut an der Stange tanzten, habe einen simplen Grund, erklärt die junge Pastorin. «Mit Kleidung wäre es viel zu rutschig an der Stange.» Koens bedauert, dass in der medialen Aufmerksamkeit für den Tanzgottesdienst der Fokus vor allem auf den Poledance gelegt wurde. «Das war ja nur ein kleiner Teil. Es gab Standardtanz, Discofox, wir haben alle zusammen getanzt und Spaß gehabt», sagt sie.

Etliche Bibelstellen belegen der Pastorin zufolge, dass auch in der Bibel getanzt worden sei - als Lob Gottes, mit identitäts- und gemeinschaftsstiftender Wirkung und als Befreiung, was hervorragend zum Advent passe. «Ich empfand diesen Tanzgottesdienst als sehr lebendige Form des christlichen Glaubens.»

Das sieht auch die evangelische Landeskirche Hannovers so. «Wir begrüßen es, wenn Kirchengemeinden neue und auch ungewöhnliche Wege gehen, um Menschen anzusprechen, die bisher wenig oder keinen Kontakt zur Kirche hatten», sagte ein Sprecher. Besondere Gottesdienstformen gebe es immer häufiger: Rave-, Star-Wars-, Harry Potter- und Abba-Gottesdienste etwa. Es gehe darum, Räume zu öffnen, in denen sich Menschen mit ihren Lebens- und Glaubensfragen willkommen fühlten.