Bremen (epd). Die Bremer Pastorin und Hospizexpertin Anne Heimendahl hat die Begleitung sterbender Menschen und die Trauerseelsorge durch die Kirche scharf kritisiert. «Bei Trauerfeiern sind hohle Floskeln zu hören», kritisierte die evangelische Theologin in einem Interview für die jüngste Ausgabe der Bremer Kirchenzeitung «BEK Forum».
Pastorinnen und Pastoren redeten salbungsvoll über die Köpfe der Menschen hinweg von Auferstehung. In der Konsequenz sei die Kirche längst nicht mehr wichtigste Ansprechpartnerin für Bestattung und Trauerseelsorge.
Die Kirche habe übersehen, dass in den zurückliegenden 50 Jahren durch die Hospizbewegung in ganz anderen Berufszweigen eine Kompetenz für Trauer- und Sterbebegleitung erreicht worden sei, sagte Heimendahl. Sie ist nicht nur Pastorin, sondern auch ausgebildete Krankenschwester. 13 Jahre hat sie als Hospizausbilderin gearbeitet. Ihre eigene Ausbildung in diesem Bereich absolvierte sie im Berliner Lazarus-Hospiz und im Londoner St.-Christopher's-Hospiz.
«Trauernde erreicht man nicht mit bloßen theologischen Richtigkeiten ohne emotionale Anbindung», fügte Heimendahl hinzu. Die Kirche sei an den Krisenpunkten der Menschen nicht präsent. «Insofern scheiden wir als Ansprechpartner bei der letzten großen Lebenskrise, dem Sterben, auch aus.» Wer vorher im Leben keine Erfahrung mit Kirche bei der Lebensbewältigung gemacht habe, werde sie dann auch am Lebensende nicht mehr als Ansprechpartner begreifen. Dazu komme das Zeitproblem: «Wenn Sterbende Seelsorge brauchen, haben Gemeindepastoren oft keine Zeit, weil sie mit anderen Aufgaben eingedeckt sind.»
Heimendahl zufolge sollte es unter den Seelsorgern in der Kirche verpflichtende Fortbildungen zum Thema geben, auch mit Elementen der Selbsterfahrung. Wer selbst keine Angst vor Fragen wie der Versorgung am Ende des Lebens habe, könne Menschen Auswege in ihrer als ausweglos empfundenen Situation aufzeigen. «Damit entlaste ich sie, mache sie mündig und vermittle Sicherheit.»
Im Londoner St.-Christopher's-Hospiz habe sie erlebt, wie selbstverständlich Seelsorger in die Arbeit eingebunden werden könnten, ergänzte Heimendahl. «Die seelsorgerliche Seite wird dort gleichberechtigt mit der medizinischen, pflegerischen, psychologischen und sozialen Sicht gehört.» Während in Bremen darüber diskutiert worden sei, wie ein Hospiz in einem normalen Stadtteil angesiedelt werden könne, sei das Hospiz in London in einem sozialen Brennpunkt ein Begegnungszentrum, «ein Mehrgenerationenhaus zwischen Geburt und Tod».