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Zwischen Trost und Täuschung: KI lässt Verstorbene weiterreden. Ein Experte beschreibt, warum das Abschiednehmen dadurch ins Stocken geraten kann - und was wirklich trägt.

 

Braunschweig/Remseck (epd). Verstorbene mittels KI für die Angehörigen lebendig zu halten, kann nach Ansicht des Psychologen Roland Kachler schwierig für den Trauerprozess sein. «Viele Trauernde wollen den Verstorbenen nicht einfach loslassen, sondern eine innere Beziehung bewahren und alles, was dabei hilft, ist auch gesund», sagte der evangelische Theologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn jedoch die KI mittels der Stimme und persönlichen Gesprächen die Illusion vermittele, dass Verstorbene tatsächlich lebendig seien, sei dies problematisch.

Wenn sich die Trauer nicht lösen könne, entwickelten sich in der Folge leicht auch körperliche Beschwerden. Die Fotografie von Verstorbenen, die sogenannte Memorial Photography oder Gedenkfotografie, kann Kachler zufolge allerdings ein hilfreiches Mittel für das Abschiednehmen und Trauern sein. «Es ist noch einmal eine Konfrontation mit der Realität, die zwar schmerzlich ist, aber auch nötig und die das Fließenlassen der Trauer ermöglicht.» Insgesamt sei es wichtig, dem Verstorbenen noch einmal nahe zu sein, bevor man Abschied nimmt.

In der Moderne sei der Tod häufig tabuisiert worden, sagte der Autor zahlreicher Bücher über die Trauerarbeit. Aber gegenwärtig sei eine Gegenbewegung wahrzunehmen. «Insbesondere in Städten ermöglichen Bestatter beispielsweise, den Verstorbenen zu waschen und ihn selbst anzukleiden oder den Sarg zu bemalen.» Dass das Abschiednehmen mehr selbst gestaltet werden könne, sei eine positive Entwicklung.

Insgesamt sei es auch für trauernde Kinder wichtig, beim Verstorbenen zu sein, und ihm oder ihr noch einmal nahe zu sein, betonte der Psychologe mit einer Praxis in Remseck bei Stuttgart. Den Großvater oder die eigene Mutter friedlich daliegen zu sehen, helfe zu realisieren, dass sie verstorben seien. In anderen Kulturen sei es auch weitverbreitet, den Verstorbenen zu streicheln, einen Kuss auf die Stirn zu geben oder etwas in den Sarg zu legen.

Die Entscheidung, was mit Fotos von Trauerfeiern geschehe, könne später in Ruhe getroffen werden. Immer mehr Trauernde entschieden sich heute dafür, ein Foto vom Verstorbenen im Sarg zu machen, um den «letzten Moment» zu bewahren. Viele Hinterbliebene schauten diese Fotos später zwar selten an, die Fotos aus dem Leben dagegen aber sehr oft.