«Moralische Instanz» und «Staatsmann ersten Ranges»: Zum Tod des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker würdigen ihn Spitzenpolitiker und Kirchenvertreter. Vor allem seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes bleibt in Erinnerung.
Berlin/Hannover (epd). Trauer um Richard von Weizsäcker: Der Altbundespräsident starb am Sonnabend im Alter von 94 Jahren. Bundespräsident Joachim Gauck und weitere Spitzenpolitiker sowie Kirchenvertreter würdigten den Verstorbenen. Er war Staatsoberhaupt von 1984 bis 1994. Zuvor saß er als Abgeordneter für die CDU im Bundestag und war vor allem durch sein Engagement in der evangelischen Kirche sowie Anfang der 80er Jahre als Regierender Bürgermeister von Berlin bundesweit bekanntgeworden.
Gauck nannte Weizsäcker einen «Zeugen des Jahrhunderts». «Für die meisten Menschen war er eine moralische Instanz», schrieb er in einer Kondolenz an die Witwe Marianne. SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte: «Richard von Weizsäcker hatte die Gabe und den Intellekt, den Menschen Orientierung zu geben und Deutschland in der Welt würdig zu vertreten.» Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schrieb in einem Beitrag für die «Bild am Sonntag», Weizsäcker habe für das Ansehen Deutschlands in der Welt Großes geleistet.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, stellte Weizsäckers Engagement als protestantischer Christ heraus. «In seiner Person hat die Kirche ausgestrahlt, wovon sie spricht», sagte Bedford-Strohm am Rande einer Tagung leitender Geistlicher im sächsischen Meißen.
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister erinnerte sich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): «Richard von Weizsäcker war der erste und bedeutendste Politiker, auf den ich stolz war.» Hintergrund sei Weizsäckers Rede am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er selbst als Theologiestudent ein Studienjahr an der Hebräischen Universität in Jerusalem verbracht: «Weizsäckers Rede war für mich eine ermutigende Grundlage für zahllose Gespräche in meinem Studienjahr in Israel», betonte der Landesbischof.
Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), sagte, der verstorbene Altbundespräsident habe die parlamentarische Demokratie in Deutschland über Jahrzehnte maßgeblich geprägt und Deutschlands Ansehen in der Welt gemehrt.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber würdigte den Verstorbenen als «Staatsmann ersten Ranges», die Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir nannten ihn einen «engagierten Kämpfer für demokratische und freiheitliche Rechte».
Gauck schrieb in seiner Kondolenz, Weizsäcker habe das Amt des Bundespräsidenten auf bleibende Weise geprägt. Bereits als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Mitglied des Bundestages und Regierender Bürgermeister von Berlin habe er Brücken zu den Nachbarn gebaut. «Er stand für eine Bundesrepublik, die sich ihrer Vergangenheit stellt», schrieb Gauck. Er habe 1985 unmissverständlich klargestellt: «Der 8. Mai 1945 war ein 'Tag der Befreiung' vom 'menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft'.»