Mit einer feierlichen Schlüsselübergabe wurde am Freitag, 1. Juni, der Neubau in der Evangelischen Heimvolkshochschule Evangelisches Bildungszentrum in Rastede übergeben. Der Architekt und Energieberater Horst Gumprecht vom Architekturbüro Angelis & Partner überreichte den symbolischen Schlüssel für das Bettenhaus mit Seminarbereich an den Oldenburger Bischof Jan Janssen, Oberkirchenrat Detlef Mucks-Büker und Jürgen Otzen, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Heimvolkshochschule.
Oberkirchenrat Detlef Mucks-Büker betonte anlässlich der Schlüsselübergabe, dass die Bestimmung des Neubaus sei, ein offenes, gastfreies und einladendes Haus zu sein, ein Ort des Lebens und der Begegnung, ein Ort der Bildung und des Lernens. Die oldenburgische Kirche wolle sich mit dem Neubau eine Bildungslandschaft erschließen, die möglichst viele Menschen erreiche. Darum hat sie sich entschlossen, mit diesem neuen Haus einen Anstoß für weitere Entwicklungen zu geben: die Entwicklung zu einem Evangelischen Bildungszentrum. Es wird künftig die Aufgabe aller sein, die an diesem Ort arbeiten und Verantwortung tragen, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten und in der programmatischen Umsetzung Bildungsangebote zu unterbreiten.
Konkret werde es um Bildungsangebote gehen für Religion und Lebensgestaltung, Familie und Erziehung, Gesellschaft und Soziales, Arbeitswelt und Beruf, Schulabschlüsse und Zertifikate, Integration und Sprachen, Kultur und Exkursionen, so Mucks-Büker.
Bischof Jan Janssen betonte in seiner Andacht, dass Bildung Gottes bleibendes Geleit brauche. Und wir brauchen geschärfte Sinne und eine offene Tür. Janssen erinnerte an die weichenstellende Entscheidung der oldenburgischen Synode für den Neubau und dankte allen beteiligten Firmen und Mitarbeitenden für die tatkräftige Mitarbeit.
Nun sind wir gespannt auf ein neues Konzept, so Janssen. Als Fundament aller Bildungsprozesse im Glauben benannte Bischof Janssen die Bibel. Er wünsche sich, dass dieses neue Haus auch zu einer Wiederentdeckung der Bibel führen werde. Sie müsse auch wieder neu Fundus, Material und Handwerkszeug für Bildung in diesem Haus sein. Die Bibel schwärme von der Bildung als Teil eines komplexen Prozesses samt geistlicher Dimension, betonte der Oldenburger Bischof.
Den Grundstein für das rund 2,5 Millionen Euro teure Gebäude hatten am 19. November 2010 Synodenpräsidentin Sabine Blütchen und Bischof Jan Janssen im Rahmen der 6. Tagung der 47. Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg gelegt. Mit dem Bau bekenne sich die Kirche ausdrücklich zum Bildungsstandort Rastede, hatte Blütchen bei der Grundsteinlegung betont. Nach evangelischem Verständnis gehöre zum Menschsein ein solides Wissen, eben Bildung, über den eigenen wie auch den Glauben des Nachbarn. Der Mensch stehe im Mittelpunkt.
Der fertig gestellte Neubau hat eine Nettogrundfläche von rund 940 Quadratmetern, die auf zwei Geschosse verteilt sind. Im Erdgeschoss befinden sich zwei zusammenschaltbare Seminarräume sowie drei Kleingruppenräume. Darüber hinaus verfügt der Neubau über elf Einzel- sowie zwei behindertengerechte Doppelzimmer im Erdgeschoss. Das obere Geschoss ist ein reiner Bettentrakt mit weiteren 19 Einzel- und vier Doppelzimmern. Die Baumaßnahme wurde mit 360.000 Euro über Zuwendungen aus dem Konjunkturpaket II über das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert.
Der Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Heimvolkshochschule, Jürgen Otzen, betonte in einem Grußwort, dass der Verein Ev. Heimvolkshochschule Rastede e.V. lange dafür geworben habe, dass das evangelische Bildungshaus in einem zeitgemäßen Ambiente erfolgreich Bildungsarbeit betreiben könne. Als kirchennahes Haus habe es die Chance, einerseits Bildungsarbeit unter Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Erwachsenenbildungsgesetz zu betreiben, andererseits aber auch Teilnehmende in die Nähe der ev.-luth. Kirche zu bringen und so eventuell bestehende Schwellen zu überwinden.
Bisher habe das neue Haus nur positive Resonanz erfahren, so Otzen. Seit Inbetriebnahme hätten sich die Übernachtungszahlen gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt. Dieses Signal des Aufbruchs werde deutlich wahrgenommen.
Klaus Hillen, einer der Stellvertretenden Bürgermeister der Gemeinde Rastede, überbrachte die Grüße und Glückwünsche des Rates der Gemeinde. Die Entscheidung zum Ausbau der Bildungseinrichtung sei für Rastede ein wichtiges Signal. So habe die Gemeinde die Heimvolkshochschule in der Vergangenheit wo immer möglich auch unterstützt. Der Neubau mache die Bildungseinrichtung nun fit für die Zukunft.
Die Stellv. Landrätin Susanne Miks überbrachte die Grüße des Landkreises Ammerland. Die Heimvolkshochschule Rastede gestalte seit nunmehr 60 Jahren Erwachsenenbildung in der Region. Neben den Lernformen und den Zielgruppen seien auch die Themenbereiche vielfältig. Sie reichten von politischer Bildung bis zur Persönlichkeitsbildung, von der Weiterbildung für den Beruf bis zu Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in pädagogischen, sozialen und kirchlichen Arbeitsfeldern. Dabei habe sich die Heimvolkshochschule Rastede einen guten Namen gemacht. Laut Miks laden die Bildungsangebote der Heimvolkshochschule Rastede Menschen in allen Lebenslagen ein und ermutigen sie, durch Teilnahme ihr Leben selbstbewusst in die Hand zu nehmen, sich gegenseitig zu unterstützen und sich auf künftige Herausforderungen vorzubereiten.
Gute Bildung ist und bleibt für den Einzelnen die wichtigste Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, Anerkennung und berufliches Fortkommen. Zwar bietet selbst Bildung keinen absoluten Schutz vor den Risiken am Arbeitsmarkt. Mit höherer Bildung steigen aber sowohl die Berufs- und Beschäftigungschancen als auch das Einkommen, so eine Studie der OECD. Gute Bildung ist deshalb eine besonders wirksame Form der sozialen Absicherung. Und unsere Gesellschaft braucht gebildete Bürger, die Ideen entwickeln und Fragen stellen., so Miks. Der Um- und Ausbau der Heimvolkshochschule Rastede zu einem Evangelischen Bildungszentrum sende daher ein sehr wichtiges Signal in diese Richtung und sei eine gute und zukunftsweisende Entscheidung.
Schlüssel zur Bildung
In einem Impuls anlässlich der Schlüsselübergabe zum Thema Schlüssel zur Bildung betonte Oberkirchenrat Detlef Mucks-Büker, dass Bildung aus evangelischer Sicht auszurichten sei auf Erziehung zum Frieden, Achtung der freiheitlichen Rechtsordnung, Förderung sozialer Gerechtigkeit, Fürsorge für das verletzliche Leben und Verständigung mit Menschen anderer Kulturen und Religionen. Bildung habe zeitlich die individuelle Entwicklung und Lebensgeschichte jedes Kindes, jedes Jugendlichen und Erwachsenen, auch jedes alt gewordenen Menschen zu berücksichtigen. Mit dem Ziel, das verständnisvolle Verhältnis zwischen den Generationen zu unterstützen und selbstkritisch aus geschichtlicher Erinnerung und Überlieferung zu schöpfen.
Laut Mucks-Büker erinnert Bildung nach evangelischem Verständnis an die Güter des Lebens als Gottes Gaben, erzieht zu Dankbarkeit, schärft ein, Maße und Grenzen menschlicher Geschöpflichkeit ernst zu nehmen, und ermutigt, in der Kraft des befreienden Evangeliums von Jesus Christus bei allen gesellschaftlichen Aufgaben verantwortungs- und hoffnungsvoll mitzuwirken.
Bildung beziehe sich auf alle Menschen in allen Lebens- und Bildungsbereichen. Dies müsse die Kirche immer zuerst für sich selbst beherzigen. Umfassend entfalte sich die Bildungsverantwortung der Kirche in Gottesdienst, Gemeindearbeit, Arbeit an Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren. Zum einen in den Kirchengemeinden mit ihren Angeboten vor Ort und nah bei den Menschen, zum anderen als kirchliche Bildungsmitverantwortung in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Kindergärten, Schulen, Betrieben, Universitäten und anderen Einrichtungen. Wie der ganze Mensch sei Bildung in ihrem menschlich verpflichtenden Sinn unteilbar.
Insofern sei Bildung unauflösbar dem Öffentlichkeitsauftrag des Evangeliums verpflichtet, so Mucks-Büker. Vom Grundsatz her verstehe sich der Bezug zur befreienden Botschaft von Jesus Christus als Mensch gewordene Liebe Gottes zur ganzen Welt als ein Kommunikationsgeschehen. Weiterhin sei der im christlichen Menschenbild verankerte subjekt- und biographieorientierte Bildungsansatz als lebenslange Selbstbildung des ganzen Menschen zu verstehen.
Zentral sei, so Mucks-Büker, dass sich kirchliches Bildungshandeln immer an dem Ziel ausrichten müsse, allen Menschen Möglichkeiten der Bildung zu eröffnen. Damit einhergehe die Aufgabe, soziale Ungleichheiten und Hemmnisse in den Zugangsmöglichkeiten abzubauen oder mindestens abzumildern. Dies sei ja auch einmal der ursprüngliche Impuls gewesen, der zu Gründungen z. B. von Heimvolkshochschulen wie in Rastede geführt habe. Auch heute bleibe die Aufgabe bestehen, durch besondere Bildungsangebote für diejenigen, deren Förderung durch das herkömmliche Bildungssystem nicht gelinge, Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.
Voraussetzung dazu ist eine begleitende, kritische Auseinandersetzung mit gerechten und ungerechten Verhältnissen in der Gesellschaft. Eine Auseinandersetzung, in der die Gesellschaft selbst zum Bildungsthema wird und sich auch so versteht, betonte Mucks-Büker.