Hannover (epd). Zu Weihnachten suchen die Menschen in den Kirchen nach Ansicht des Theologieprofessors Gerhard Wegner vor allem Vertrautes. Sie erwarteten eine festliche Atmosphäre, ihnen bekannte Lieder und natürlich, dass die Weihnachtsgeschichte gelesen werde, sagte der Leiter des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bundesweit werden die evangelischen und katholischen Gottesdienste an diesem Tag nach seinen Schätzungen von rund 20 Millionen Menschen besucht. "Das ist wohl eine der meisten besuchten Veranstaltungen in Deutschland überhaupt."
Die Gottesdienste am Heiligen Abend sollten Kindheitserinnerungen aufnehmen und für einen Tag ein wenig "heile" Welt schaffen, sagte der Theologe. Unter den Mitgliedern der evangelischen Kirche behaupteten in Umfragen 98 Prozent von sich, sie würden an Heiligabend in die Kirche gehen. "Das sind weit mehr, als es tatsächlich tun." Zu dem Festgottesdienst zu gehen, sei nach wie vor tief in der deutschen Kultur verankert.
In den dunkelsten Tagen des Jahres werde in den Gottesdiensten die Geschichte der Menschwerdung Gottes gefeiert, die Licht in die Welt bringe, erläuterte Wegner. "Indem man daran teilnimmt, wird man Teil dieses großen Geschehens." Zudem komme in der gut besuchten Kirche ein Gemeinschaftsgefühl auf. Zumindest im Hauptgottesdienst am Heiligen Abend rät Wegner Pastoren von allzu großen Experimenten ab. "Es kommen dann viele Menschen, die sonst mit der Kirche nicht mehr vertraut sind." Sie erwarteten einmal im Jahr zumindest annähernd dasselbe Ritual.
"In kaum einem anderen Land wird Weihnachten so stark romantisiert wie in Deutschland", sagte der Wissenschaftler. "Wer sich nicht auf diese Romantik einlassen kann, für den wird es schwierig." Am Heiligen Abend feierten viele nach wie vor abgeschottet im Familienkreis. "Wer da nicht dazugehört, dem kann es auch schlechtgehen." Allerdings gebe es unter anderem in Kirchengemeinden auch viele Angebote, zu denen einsame Menschen gehen könnten. In diesem Bereich entwickelten sich auch neue Formen wie Konzertveranstaltungen, bei denen der Gemeinschaftsdruck nicht so ausgeprägt sei.