Der Advent ist für viele Menschen vor allem eine Zeit der Gemütlichkeit und Vorfreude. Viele ursprüngliche Traditionen der Vorweihnachtszeit geraten darüber zunehmend in Vergessenheit, erläutert der Göttinger Theologieprofessor Wolfgang Reinbold.
Göttingen (epd). Der Göttinger Theologe Wolfgang Reinbold hat die besondere Bedeutung des Advents über die religiöse Tradition hinaus betont. «Der Advent ist nicht nur für Christen da», sagte der Professor für Neues Testament an der Uni Göttingen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Advents-Brauchtum spiele auch für viele nichtreligiöse Menschen eine große Rolle. «Sie genießen das Gefühl einer Vorfreude, die festliche Stimmung, schätzen die Advents- oder Weihnachtsmärkte, nutzen Adventskalender und Ähnliches mehr.»
Interessant sei, dass sich ein vergleichbarer Brauch seit einiger Zeit auch im Fastenmonat der Muslime verbreite, sagte Reinbold, der auch Beauftragter für Interreligiösen Dialog der hannoverschen Landeskirche ist. «Sie basteln oder kaufen für ihre Kinder sogenannte 'Ramadankalender' mit 30 Türchen, hinter denen sich Süßigkeiten für das Fastenbrechen am Abend verstecken.»
Reinbold erläuterte, dass eine vierwöchige Adventszeit nicht in allen christlichen Religionsgemeinschaften üblich sei. «In den orthodoxen Kirchen gibt es keinen Advent, sondern eine sogenannte Weihnachtsfastenzeit. Sie beginnt bereits am 15. November - nach der orthodoxen, auf Julius Cäsar zurückgehenden Zählung der Tage -, und sie dauert nicht vier Wochen, sondern sechs.» In den evangelischen Kirchen sei der Fastenaspekt in den vergangenen Jahrzehnten hingegen mehr und mehr zugunsten einer freudigen Vorweihnachtsstimmung in den Hintergrund getreten.
Zur Wortherkunft von «Advent» führte Reinbold aus, das lateinische «adventus», sei gleichbedeutend mit dem Wort «parousia» aus der griechischen Ursprungsversion des Neuen Testaments. «Dieses Wort ist in der griechischsprachigen Antike der übliche Ausdruck für die Ankunft eines Königs oder Kaisers oder die Erscheinung eines Gottes.» So habe es nahe gelegen, dass der Begriff auch im ältesten Christentum üblich wurde. «Im Neuen Testament wird es zunächst zum technischen Ausdruck für die Ankunft des Herrn Jesus Christus zum Gericht am Ende der Zeit. In späterer Zeit verwendet man es dann auch für die erste Ankunft - also seine Geburt», sagte der Theologieprofessor.
Schließlich berichtete Reinbold über den Ursprung des Adventskranzes, der Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Theologen und Sozialarbeiter Johann Hinrich Wichern erfunden worden sei. Im sogenannten «Rauhen Haus», einer Einrichtung für arme Kinder, habe Wichern ein hölzernes Wagenrad mit vier großen und zwanzig kleinen Kerzen aufhängen lassen, um die Ungeduld der Kinder vor dem Weihnachtsfest zu mildern. «Später hat man aus praktischen Gründen die zwanzig kleinen Kerzen fortgelassen. Sie leben fort in den heute überall verbreiteten Adventskalendern», erklärte Reinbold.