Klimakrise, Kriege, KI, eine zunehmende politische Spaltung der Gesellschaft – die Welt hat sich verändert und damit auch unser Blick in die Zukunft. Ängstlich und verzagt sind derzeit nicht wenige Menschen. Grund genug, dem 13. Frauentag der oldenburgischen Kirche ein Thema voller Zuversicht und dem Glauben in uns zu widmen: „TrotzKraft. Hoffnungsstur mutig“. An die hundert Teilnehmerinnen waren gekommen, um im Oldenburger Kulturzentrum PFL den Vorträgen zu lauschen und sich dabei fleißig Notizen zu machen, miteinander zu singen, zu arbeiten und ins Gespräch zu kommen.
Abwechslungsreiches Programm
Seit 2000 gibt es den Frauentag im zweijährigen Rhythmus. „Nur einmal musste er wegen Corona via Zoom stattfinden“, sagt Dr. Andrea Schrimm-Heins, Leiterin der Evangelischen Frauenarbeit der oldenburgischen Kirche, die seit 25 Jahren als Hauptverantwortliche der Arbeitsgemeinschaft Frauenarbeit der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg (AGFA) diesen besonderen Tag organisiert und seitdem mit spannenden Themen wie „Ohne Netz und doppelten Boden“ oder „Sehnsucht nach dem anderswo“ und einem abwechslungsreichen Programm überrascht. So auch in diesem Jahr.
Hauptreferentin Dr. Antje Schrupp aus Frankfurt und die aus Ostfriesland stammende, gerne etwas Platt „protende“ Entertainerin Annie Heger als Moderatorin und Sängerin sorgten sowohl für nachdenkliche als auch für fröhliche Momente. Ebenfalls gut gelaunt mit dabei: die Delmenhorster Popkantorin Karola Schmelz-Höpfner – für stimmungsvolle Lieder im Saal.
Viele Impulse
Aus dem gesamten Oldenburger Land und sogar aus Hannover – teilweise hatten die Teilnehmerinnen auch etwas längere Anreisen. Schon häufiger beim Frauentag dabei war die Oldenburgerin Anke Visser. Was ihr daran so gut gefällt? „Die schöne Kombination von Angeboten mit hoher Qualität – mit vielen Impulsen und Workshops. In diesem Jahr ist es auch ein sehr ermutigendes Thema.“ Ein weiterer angenehmer Aspekt: „Neue Menschen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen.“ Dass dies auch den anderen Teilnehmerinnen sehr wichtig ist, zeigen die angeregten Gespräche in den Pausen. Eine Bremerin war besonders gespannt auf den Vortrag: „Ich wollte Antje Schrupp gerne mal live sehen, denn ich mag ihre gefühlvolle, erfrischende und lebendige Art.“
„Ostern brauchte den Karfreitag!“
Eigentlich müssten Optimist*innen doch mehr Hoffnung in sich tragen als Pessimist*innen – oder etwa nicht? „Das ist keineswegs abhängig vom Typ“, meint Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Bloggerin Dr. Antje Schrupp. Vielmehr komme es auf die Haltung an – und die sollte nicht durch eine „leichtfertige Hoffnung“ und Sätze wie „Das wird schon wieder“ geprägt sein. „Falsche Hoffnungsphilosophien werden oft mit der Rettung in der Zukunft begründet. Dem ist aber meist nicht so“, sagt Antje Schrupp. „Nehmen wir die Klimakatastrophe: Hier wird die Hoffnung auch auf eine wundersame technische Entdeckung und damit auf unsere Kinder und alle anderen zukünftigen Menschen abgewälzt. Dass Handeln im JETZT notwendig ist, wird von vielen nicht gesehen, denn Katastrophen geschehen schleichend. Für viele Menschen ist die Klimakrise schon jetzt Realität.“
Geschickt spannte Antje Schrupp in ihrem unterhaltsamen und sehr informativen Vortrag den Bogen von Karfreitag zu Ostern: Ohne diesen hätte es schließlich keine Auferstehung gegeben. „Hoffnung basiert auch darauf, dass wir selbst dann noch etwas machen können, wenn etwas Schlimmes passiert.“ Im Falle des Klimawandels könnten dies solidarische Netzwerke sein. Oder, mit Verweis auf die Publizistin Marina Weisband, im Falle eines zunehmenden Faschismus: Menschbleiben und sich nicht von rechter Rhetorik anstecken lassen, die Welt für sich und andere etwas schöner machen, und sei es nur mit hübscher Deko, Banden bilden (auf wen kann ich mich verlassen) oder sich um alternative Kommunikationswege kümmern – falls das Internet ausfallen sollte.
Geselligkeit als Schlüssel
„Revolution ist not a one time Event“ sagte die amerikanische Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde. „Wir können jederzeit eine erlöste Situation schaffen, netter zueinander sein. Es geht immer um die einzelnen Momente, nicht gemessen an meinem Leben insgesamt. Jeden Tag aufs Neue gibt es die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun“, so Antje Schrupp. Dabei sei Geselligkeit ein wichtiger Faktor gegen Katastrophen. „Sie ist der Schlüssel, der alles verändern kann. Geht raus, auch wenn ihr keine Lust habt. Ruft an, wenn jemand Geburtstag hat.“ Das vermeide nicht nur Einsamkeit, sondern könne auch schädlichen Ideologien entgegenwirken – die gerade dann leichter entstehen könnten, wenn man viel Zeit alleine im Internet verbringe. „Trifft man sich mit anderen und tauscht sich aus, kann man sich immer wieder neu verbinden – wie die Rhizome einer Pflanze“, so Antje Schrupp. Auch gehöre Veränderung zur christlichen Hoffnung, denn die sei darauf ausgerichtet, dass es für ALLE besser werde.
Persönliches mit Annie Heger
Von den eigenen Erfahrungen zu berichten, ist manchmal gar nicht so leicht. Das weiß auch Annie Heger, die durch das Teilen ihres Erlebten anderen Menschen Mut machen möchte. So in ihrem Buch „Sei der Wind, nicht das Fähnchen – Und wenn nicht: Kurs bestimmen, Segel setzen!“ und so auch auf dem Frauentag. Hier berichtete sie von schwierigen Lebensphasen, von ganz persönlichem Mut und innerer Kraft, aber auch von ihren Ängsten und denen ihrer Freund*innen durch den Rechtsruck in der Politik. Sehr froh sei sie darüber gewesen, dass daraufhin so viele zu großen Demonstrationen in Berlin und an vielen anderen Orten zusammengekommen waren. Gerne erzählt sie deshalb auch die Geschichte von der Taube, der Meise und den kleinen Schneeflocken, wobei jede nicht mehr wiegt als ein Nichts. So saß die Meise auf einem dicken Ast einer Fichte, als es ganz sanft zu schneien anfing. Aus Langeweile zählte sie die Flocken: exakt 3.741 .52. Dann fiel noch eine – und der Ast brach ab. Die Taube als Spezialistin für den Frieden sagte: „Vielleicht fehlt ja nur eines einzelnen Menschen Stimme für den Frieden der Welt.“ Und auch Annie Heger ist überzeugt: „Ich glaube, egal, was wir tun, und egal, was wir lassen – wir machen alle einen Unterschied.“
Schwungvolle Klänge, spannende Workshops
Etwas mehr in Bewegung kommen tut gut, warum also nicht gleich direkt auf dem Frauentag? Nach einem leckeren Mittagessen mit wohltuenden Suppen, Kaffee und Kuchen konnte ein bisschen rhythmische Gymnastik nicht schaden. Die Arme in die Höhe, sich einander zuwenden, gemeinsam in die Hände klatschen – zur Musik und dem Gesang von Popkantorin Karola Schmelz-Höpfner riss dieses Mitmachangebot die Teilnehmerinnen im Saal von den Stühlen. Auch die abschließenden Workshops konnten sich sehen lassen: Angebote von der Schreibwerkstatt, Gesang und Tanz über Reisen zur eigenen Persönlichkeit bis hin zum Besuch des Oldenburger Gertrudenfriedhofs luden dazu ein, Neues zu erfahren.
Ein Beitrag von Melanie Jülisch.