Zum Hauptinhalt springen

Oldenburg (epd). Der Zentralrat der Yeziden in Deutschland hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufgefordert, die geplanten Abschiebungen nach Syrien zu stoppen. Die im fünften Monat schwangere Yezidin Abta Houran, die in der vorigen Woche abgeschoben wurde, sei bis zum Sonntagabend drei Tage lang von den syrischen Behörden inhaftiert worden. Nur mit größter Mühe sei es gelungen, die 25-Jährige aus der Haft freizubekommen, heißt es in einem Offenen Brief des Zentralrats an den Minister von Dienstag.

   Yeziden gehören einer vorchristlichen Religion mit jüdischen Wurzeln an, die im Laufe der Jahrtausende um christliche und muslimische Elemente erweitert wurde. In Syrien gelten sie dem Vorsitzenden des Zentralrats, Telim Tolan, zufolge als «unrein und vogelfrei».

   «Wir mussten zuvor zur Kenntnis nehmen, dass trotz unserer Appelle und Bitten weder Behörden noch die Gerichte ein Problem darin sehen, eine schwangere Frau allein nach Syrien abzuschieben», hieß es in dem Schreiben. Wie auch Amnesty International habe der Zentralrat Behörden und Gerichte vor der Gefahr gewarnt, dass Abgeschobene in Syrien gefoltert werden.

   Tolan warf den Behörden in Niedersachsen vor, mit besonderer Härte gegen die Yeziden aus Syrien vorzugehen. Ein Bleiberecht, das gewährt werden könnte, werde ihnen verweigert. Die Yeziden seien gut integriert. Dies zeige sich an der Unterstützung in der Bevölkerung, in Schulen und Kirchengemeinden bei Protesten gegen die Abschiebungen und im großen Mitgefühl für die Betroffenen.

   Abta Houran lebte bis zu ihrer Abschiebung neun Jahre lang im Landkreis Ammerland. Allein dort sollen Tolan zufolge etwa 100 Personen, davon rund die Hälfte Kinder und Jugendliche, nach Syrien abgeschoben werden. Es handele sich dabei überwiegend um Yeziden. Die Eltern müssten als Folge der Abschiebung Folter und Inhaftierung auf unabsehbare Zeit befürchten, sofern keine Kaution aufgebracht werden kann. Die Familien lebten seit mehr als zehn Jahren in Deutschland.
Die Kinder seien hier aufgewachsen und überwiegend auch hier geboren.

   Die syrischen Behörden werfen den Abgeschobenen vor, «Republikflucht begangen und schlecht über Syrien gesprochen» zu haben, indem sie Asylanträge stellten, erläuterte Tolan. Ein Familienvater, der vor zehn Jahren abgeschoben wurde und nun zurückkehren konnte, sei vom syrischen Geheimdienst auf einem «Stromstuhl» und mit Schlägen auf die Fußsohlen gefoltert worden.
Erst mit einer erheblichen Geldsumme habe er nach Monaten frei gekauft werden können. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die Verfahrensweisen geändert haben. Dies bestätigten bis heute auch die Lageberichte des Auswärtigen Amtes.

   In Syrien leben nach Zählung des Zentralrats von mehr als 12.000 Yeziden im Jahren 1980 nur noch 3.357. Deren Möglichkeiten, Abgeschobenen zu helfen und Kinder aufzunehmen, seien nahezu erschöpft. Es sei zu erwarten, dass Kinder nach der Verhaftung der Eltern allein und mittellos auf der Straße stünden. Sie wären völlig hilflos, weil sie kein arabisch sprechen.