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Jahresthema Bildung – Einführung

"Bildung" – dieses Thema hatte die Synode bei ihrer Frühjahrstagung im vergangenen Jahr zum Jahresthema 2017 bestimmt, mit der Vorgabe, dass auch die reformatorischen Glaubensinhalte als Bedingung des ev. Bildungsauftrags berücksichtigt werden sollten. Ausgehend davon hat die AG Jahresthema 2017 ein Konzept für den Themennachtmittag erarbeitet.

Dabei wurde schnell deutlich, dass es nicht möglich sein würde, die Vielfalt des Bildungshandelns in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg auch nur annähernd umfänglich abzubilden. Ausgehend davon richtete sich der Fokus nicht auf einzelne Einrichtungen, sondern stärker auf Querschnittsthemen bzw. Bereiche ev. Bildungshandelns, so dass auch die Bildungsangebote immer mit im Blick waren, die keine/n Vertreter/in in die AG entsenden konnten.

Beim Themennachmittag sollte es daher weniger um eine Leistungsschau, sondern vielmehr um die Möglichkeit des Diskurses auf fachlich-thematischer Ebene gehen. Für die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg müsse es darum gehen, den Diskurs über Bildung mit einer evangelischen Perspektive anzureichern, so Pfarrer Dr. Urs-Ullrich Muther, der die Geschäftsführung der AG Jahresthema 2017 innehatte: "Wir dürfen nicht darauf warten, bis wir angesprochen werden, sondern das Evangelium treibt uns an, uns zu Wort zu melden."

 

Die Berliner Künstlerin Wiebke Koch hielt die Ergebnisse des Thementags per Graphic Recording fest.

  

Workshop 1: "Was habe ich davon" - Ehrenamtskultur

Die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg bietet vielfältige Bildungsangebote für Ehrenamtliche, um sie für ihre Tätigkeit zu qualifizieren. Im Workshop "Was habe ich davon? - Durch Perspektivwechsel zu einer bewusst gestalteten Ehrenamtskultur" überlegten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie die Angebote gestaltet werden müssen, damit sie für Ehrenamtliche als interessant wahrgenommen werden und sie in ihrem Engagement bestärken. Denn in zunehmendem Maße fragen Freiwillige nach dem persönlichen Nutzen ihres Engagements: Was habe ich davon? Erlebe ich mein Engagement als lohnend und sinnvoll?

 

Entscheidend sei der Perspektivwechsel, so Pfarrer Cornelius Grohs, Beauftragter für Ehrenamtsarbeit, und Pfarrer Andreas Zuch, Leiter des Referats Gemeindedienste: Wie werden wir zu einer engagementfreundlichen Kirchengemeinde? Dazu gehöre, dass Hauptamtliche sich als Ermöglicher verstehen und dass es eine Dienstgemeinschaft auf Augenhöhe von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen gebe. Ehrenamtliche bräuchten zudem gute Rahmenbedingungen und spirituelle Kraftquellen.

  

Workshop 2: Kinder- und Jugendarbeit – Teilhabe und digitale Medien

Digitalisierung – was ist das eigentlich, wie geht das, und welche Konsequenzen hat das für die Kirche? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops waren sich einig, dass die Kirche die Digitalisierung konsequent inhaltlich und ethisch begleiten, die damit verbundenen Chancen nutzen und gleichzeitig die Risiken im Blick behalten solle.

 

Dazu gehöre die Bereitschaft, selbst etwas im Bereich digitalere Medien zu tun und sich dafür professionelle Unterstützung zu holen. Der Anspruch der Kirche müsse dabei sein: Medienethik ist kein Anhängsel der Mediennutzung, sondern deren Voraussetzung.

 

Die Leitung des Workshops hatten Landesjugendpfarrer Dr. Sven Evers, Lucas Scheel (Öffentlichkeitsarbeit Landesjugendpfarramt) und André Medeke (Geschäftsführer Landesjugendpfarramt.

  

Workshop 3: "Wer ist eigentlich Gott?" – Der evangelische Religionsunterricht

Wie ist das Selbstverständnis des evangelischen Religionsunterrichts, was ist der kirchliche Auftrag, und wie könnte die Zukunft des Religionsunterrichts aussehen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Workshops "Wer ist eigentlich Gott? Der evangelische Religionsunterricht – identitätsbildend und dialogstiftend".

 

Der Religionsunterricht ist ein Fenster in die Welt. Das könne er zumindest sein, wenn die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler mitmachten, waren sich die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer einig. Auf jeden Fall sei Reli-Unterricht persönlich. Religiöse Erziehung und könne wichtige ethische Grundlagen schaffen für Kompetenz im gesellschaftlichen Alltag.

 

Der Workshop leitete Kerstin Hochartz, Leiterin der Arbeitsstelle Religionspädagogik.

  

Workshop 4: Bildung in den ersten Lebensjahren

Die evangelische Kirche habe ein großes Angebot für jüngere Kinder und ihre Familien - darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops einig. Für die Kirche gehe es darum, die Bedürfnisse der Familien aufzugreifen und gleichzeitig ein evangelisches Profil zu bewahren. Eine Lösung seien Familienzentren in evangelischer Trägerschaft bzw. unter evangelischer Beteiligung. Sie stellten eine gute Möglichkeit dar, Angebote für junge Familien zu bündeln.

 

Eine Herausforderung sei der Fachkräftemangel in pädagogischen Einrichtungen. Die Kirche müsse Konzepte entwickeln, wie Nachwuchs gewonnen werden könne.

 

Den Workshop leiteten Frauke Schmidt (Leiterin Fachstelle Kindergartenarbeit) und der Synodale Rüdiger Schaarschmidt (Leiter der Ev. Familienbildungsstätte Friesland-Wilhelmshaven).

Workshop 5: Bildungsangebote in einer Kirchengemeinde - Musik

Welche Bildungsangebote und -gelegenheiten gibt es in einer Kirchengemeinde? Der Workshop beleuchtete exemplarische den Bereich Musik. Gemeinsam überlegten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welchen Bildungsnutzen Kinder verschiedener Altersstufen haben, wenn sie musikalische Angebote wie das Singen im Chor wahrnehmen.

 

Kinder im Vorschulalter etwa könnten durch spielerisch-niederschwellige Angebote motorische Fertigkeiten trainieren, die sich auch auf ihre kognitive Entwicklung positiv auswirken. Grundschulkinder erfahren anhand von Liedern die biblischen Geschichten und lernen nebenbei das Notensystem kennen. Jugendliche könnten über die Musik in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden und ganz unmittelbar erfahren, wie sie sich (für andere) anhören. Ihre Konzentrationsfähigkeit werde gestärkt, sie lernten, Kritik zu bekommen, sie anzunehmen und umzusetzen, aber auch selbst Kritik zu üben.

 

Den Workshop leiteten die Synodale Ingrid Klebingat und Ralf Grössler, Kreiskantor im Kirchenkreis Delmenhorst/Oldenburg-Land.

  

Workshop 6: Ev. Akademie und Ev. Bildungshaus Rastede

Wie unterscheiden sich die Angebote von Evangelischer Akademie und dem Evangelischen Bildungshaus Rastede? Am Beispiel des Themas "Nah am Wasser gebaut - Demokratie/Teilhabe" diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops, wie zwei Angebote jeweils unterschiedlich ausgerichtet werden können.

 

Das Angebot der Akademie wolle eine kirchlich-säkulare Kontaktfläche für öffentlichen Diskurs und Diskussion über gesellschaftspolitisch relevante Fragestellungen bieten. Die Zielgruppe seien Experten und Fachleute, die sich mit Interessierten am Thema austauschten. Verschiedene Positionen sollten zu Wort kommen und so Informationen für Multiplikatoren bereitstellen.

 

Das Angebot des Bildungshauses ziele dagegen auf die Mündigkeit des Einzelnen und wolle vom Weltlichen zum Existenziellen führen.

 

Der Workshop wurde geleitet von Dr. Annika Maschwitz (Universität Oldenburg), Pfarrerin Brigitte Gläser (Leiterin Akademie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg), Pfarrerin Martina Rambusch-Nowak (Leiterin Ev. Bildungshaus Rastede) und Swen Engel (Bildungsreferent im Ev. Bildungshaus Rastede).

  

„Um des Menschen willen für gute Bildung sorgen“

Unter dem Motto „Um des Menschen willen. Das Recht auf Bildung in Freiheit und Verantwortung.“ benannte Dr. Jörg Matzen, Vorsitzender des Niedersächsischen Landesverbandes der Heimvolkshochschulen, wesentliche Herausforderungen, denen sich evangelisches Bildungshandeln in unserer Gesellschaft gegenwärtig zu stellen habe.

So gebe es zwischen einem humanistisch geprägten, kritischen Begriff von Bildung und einem liberalen evangelischen Bildungsverständnis keinen substantiellen Dissens. Die biblischen Begründungen seien bei vielen im Bewusstsein hinterlegt, was christlich-abendländische Tradition genannt werde.

Für Bildung in evangelischer Perspektive sei weiter die Persönlichkeitsentwicklung zentral. Hauptzweck aller Bildung sei die Entwicklung der „einen“ Person. Die Einzigartigkeit des von Gott geliebten Geschöpfes sei der Ausgangspunkt jeder Bildung. Ihr gebühre uneingeschränkte Achtung. Das sei Anfangs-, Dreh- und Angelpunkt aller Pädagogik. Zugleich bedürfe der lernende Mensch der Bildung, weil alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind, hob Matzen hervor.

Bildung sei immer auch auf Gemeinschaft bezogen und befähige zur Übernahme von Verantwortung für sich selbst und für andere. Die religiöse, philosophisch-ethische und diakonische Dimension von Bildung, die auf Sprach- und Dialogfähigkeit in religiösen und ethischen Fragen, auf Mündigkeit im Glauben sowie auf Mitempfinden und Mithilfe gegenüber dem Anderen setzt, gehöre zum Kern des Auftrags einer jeden Bildungseinrichtung.

Des Weiteren sei es ein Gebot der Gerechtigkeit, dass niemand von der Förderung seiner Talente und Gaben ausgeschlossen werden dürfe. Das müsse als Befähigungsgerechtigkeit und im politischen Diskurs als Bildungsgerechtigkeit verstanden werden. Bildung solle Menschen dazu befähigen, Subjekt ihrer eigenen Lebensgeschichte zu werden, indem sie ihre Begabungen zum Zuge bringen.

Ein solches Bildungsverständnis grenze sich gegen jeden Versuch ab, das Lernen in der Schule und in der Erwachsenenbildung auf ökonomische Leistungserwartungen zu reduzieren und an Bedürfnisse des Marktes und Erfordernisse gesellschaftlicher Funktionalität anzupassen. Es bilde einen Gegenpol zu einer auf die globale Konkurrenz ausgerichtete Lern- und Wissensgesellschaft, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene fit mache für ihre künftige Verwendung. Stattdessen müsse man darauf beharren, „dass Bildung unverkürzt und mehrdimensional angelegt sein muss, auf lebensfördernde Inhalte achtet und dem einzelnen Zeit lässt, nachzudenken, sich zu entwickeln, eigene Wege zu finden und zu gehen.“

Es sei eine der großen Aufgaben der Zivilgesellschaft, der Kirchen und der Bildungsinstitutionen, dazu beizutragen, die inneren Regulierungskräfte, die „moralische Substanz“ des Einzelnen zu fördern und zu stärken. „Das gelinge umso besser, je mehr wir es schaffen, Demokratie als Lebensform' erfahrbar werden zu lassen, im echten Dialog miteinander zu sein und Erfahrungsräume zu gestalten, in denen die Anerkennung der Würde des anderen, die Einzigartigkeit des von Gott geliebten Geschöpfes, nicht bloß als Gebot gelehrt, sondern als innere Bereicherung und Verpflichtung erlebt wird“, so Jörg Matzen.

Kirche stehe mittendrin in der Gesellschaft und vor deren Herausforderungen und Konflikten. Deshalb wünsche er sich, dass Bildung noch stärker im Zentrum kirchlichen Handelns positioniert werde und Kirche sich noch vernehmbarer in den öffentlichen Diskurs um Bildungsgerechtigkeit und gute Bildung einbringe, betonte Matzen. Manches könne und müsse die Kirche nicht in alleiniger Verantwortung schultern. Es gebe produktive Bündnisse, die in verschiedenen Sprachen unter dem gleichen Wertehimmel um des Menschen willen für gute Bildung sorgen.